Der Carport – Eine Katzengeschichte

Joey, ein schwarz-weißer Kater mit markanter Gesichtszeichnung, schmatzte genüsslich an der Schale, die ihm sein Personal gerade frisch hingestellt hatte. Bob, kam angeflitzt und versuchte ihn wegzuschubsen. „Lass, dass!“, knurrte Joey ihn an: „Hast Du nicht Dein eigenes Futter?“ Bob setzte sich neben ihn, leckte kurz über den Rücken seines glänzenden, roten Fells und beobachtete die Schüssel. Er streckte seine Pfote aus: „Komm schon, lass mich mal kosten, meins schmeckt mir gerade nicht so.“ Joey schaute ihn mürrisch an: „Du kleiner Vielfraß, gibst ja eh keine Ruhe! Hier nimm schon, aber lass mir was über!“ Mit Freude machte sich Bob über das Futter her. Langsam trottete Joey zum Terrassenfenster und schaute in seinen Garten. Es war ein warmer Junitag, Zeit für ein Nickerchen unterm Apfelbaum. Als Bob fertig war, buddelte er das Futter ein, obwohl es nichts zum Buddeln gab und gesellte sich in einem Abstand zu ihm.
„Sag mal, wie geht es denn nun weiter mit Deiner Geschichte?“ bettelte Bob ihn an. „Lass uns in den Garten gehen, da erzähle ich dir noch was.“ brummte Joey. Sie rannten in den Keller durch die Katzenklappe, legten sich vor das kleine Holzhaus und Joey begann zu erzählen.

Wenn ich so darüber nachdenke, hatte ich zwar alles, aber ich fühlte mich alleine und die Sache mit der Freiheit wollte mir nicht aus meinem Katzenkopf. Doch wie sollte ich das diesem zweibeinigen Mitbewohner klar machen? Ich brauchte einen Plan. Jeden Tag steckte er mich in dieses Gewirr aus Bändern, das musste ein Ende haben, ein Kater wie ich brauchte einen Garten und viel Freiheit.
Um die Sache ins Rollen zu bringen fing ich an zu markieren, schließlich musste ich für die weite Welt draußen gewappnet sein. Ich markierte alles, was ich finden konnte, große Gegenstände, Wände, Fenster und am liebsten Türen, daran ließ ich mich besonders aus. Egal welche Tür, kam ich da nicht rein, wurde sie markiert und mein Strahl roch, er stank zum Himmel. Mein Zweibeiner kam richtig schön ins Schwitzen, putzte meine ganze Session wieder weg, mit einer Leidenschaft, die mich richtig zur Weißglut brachte, aber ich machte weiter und lies mich nicht irritieren. Ich war davon überzeugt, dass er es nicht mehr aushielt und mich irgendwann raus lies, Fehlanzeige!

Immer wenn wir mit diesem Horrorgeschirr in den Garten gingen, galt mein Interesse dem Carport. Ich schaute es mir ganz genau an. Klettern, das wäre es, so richtig auf Bäume, oder eben dieser Carport, welch eine Vorstellung…wir waren weit davon entfernt.

Eines Tages brachte mein Dienstbote Besuch mit. Sie war weiblich, mit einer hohen, süßen Stimme. Ich war verknallt, sie blinzelte mir zu, dieses zweibeinige Wesen verstand mich! Sofort musste ich mit ihr spielen und sie roch so gut, ich konnte gar nicht mehr von ihr loslassen. Ich hatte das Gefühl da war eine Katzendame im Spiel, leider sah ich diese nie, aber diese interessante Zweibeinerin duftete nach ihr und sie sprachen immer von einer Tinki, auch wäre sie schwarz – weiß wie ich, nie bekam ich sie zu sehen.
Die Zeit verging, die nach Katze duftende Menschin kam öfter und ich wurde regelrecht verwöhnt mit Streicheleinheiten und Leckerlis. Sie stellte meinen kompletten Speiseplan um und ich sollte jetzt besseres Futter fressen, mir war es egal, Hauptsache es hatte Sauce, denn ich bin ja schließlich ein Kater der gewisse Ansprüche hat.

Irgendwann blieb sie ganz bei uns und weinte viel. Ich gab ihr Trost, fühlte ich doch, dass diese Tinki gestorben war, armer Mensch.
Meine neue Dosine kümmerte sich liebevoll um mich und auf einmal sah ich eine große Chance, dass mein Leben bald eine Wendung nehmen könnte, mein Traum schien sich irgendwann zu erfüllen, ich hatte es im Gefühl.

Ich wurde krank, mir fiel es schwer auf die Toilette zu gehen. Irgendwas mit meinem Darm war nicht in Ordnung, alles tat weh. Diese komische Kiste mit der Streu war zu meinem Feind geworden, ich musste sie loswerden. Meine Zweibeiner packten mich in eine sehr enge Box und fuhren mit dem stinkenden, lärmenden Gefährt in eine schlimme Praxis, es war grauenvoll, ich war geschockt. Das gibt Rache ging es mir durch den Kopf, wartet bis wir wieder nach Hause kommen. Dieser komische Typ mit den weißen Sachen fasste mich an und ruinierte mir mein Fell, aber was ich da hörte, gab mir neuen Mut. Zum ersten Mal fielen die Worte. „Wir sollten ihn rauslassen, sein Freiheitsdrang scheint sehr groß zu sein.“ Meine Lieblingszweibeinerin ließ mein Herz höherschlagen, in meinem Bauch kribbelte es, hatte sich doch meine Geduld ausgezahlt, es konnte nicht mehr lange dauern und ich war frei, der Garten rief, ich hörte ihn schon.
Gefühlte 6 Spritzen, diversen Spot-Ons und der Höllenfahrt nach Hause später, konnte ich an nichts anderes als an meine Freiheit denken.
Als es mir besser ging kam mein Zweibeiner mit einem Ding an, das wieder wie so ein Geschirr aussah. Ich dachte: „Ne bitte nicht, es reicht jetzt.“ Aber es stellte sich heraus, dass es viel kleiner war und nur um meinen Hals passte, auf dem mein Name stand. Ich lies es mir ausnahmsweise freiwillig umbinden und flitzte zum Fenster, um das Wetter zu begutachten.
An einem Nachmittag, es war schön warm draußen, ging die Terrassentür auf und ich betrat ohne diese fürchterliche Leine den Garten, allein!
Zuerst wusste ich gar nicht so recht wohin vor lauter Aufregung, dann fiel es mir ein, der Carport! Ich lief den kleinen Rasen Weg entlang zum Zaun, kletterte auf die Holzwand am Schuppen um gezielt mit einem großen Sprung auf dem Dach zu landen. Meine Zweibeiner standen am Fenster und sahen zu, was sie dachten, war mir egal, ich war frei.
War das toll hier oben, ich verschaffte mir erst einmal einen Überblick über mein gesamtes Reich. Die Straße kannte ich aus dieser Perspektive noch nicht, von der sollte ich mich fernhalten, oder schnell überqueren. Auf der anderen Seite befand sich ein kleiner Wald und ein See, meine nächsten Ziele. In der Nacht musste ich mir das genauer ansehen.
Nachdem meine Neugier geweckt wurde, sprang ich wieder runter und inspizierte meinen Garten eine lange Weile, auch die Nachbarschaft wurde untersucht. Ich traf einige Freunde von früher, die mich besuchten, als ich noch in meinem Gefängnis saß, und trottete langsam nach Hause. Meine Mitbewohner schauten mich erleichtert an, sie waren glücklich mich wiederzusehen. „Joey ist wieder da.“ rief meine Dosine laut. „Ich wusste doch, dass er wiederkommt.“
Nach und nach wurden die Stangen und Netze von der Terrasse abgebaut und jetzt war mir klar, dass ich kommen und gehen konnte, wann ich wollte, ich hatte mein Ziel erreicht, die Leine, das Halsband und das Markieren sind Geschichte, ich war überglücklich.

Seitdem gehen unser großer Zweibeiner und ich sehr viel spazieren in der Nachbarschaft, ohne Geschirr oder Halsband, aber das kennst du ja mein lieber Bob.
Bob schaute ihn mit ganz kleinen Augen, kurz vorm Eindösen an: „Ja, jetzt bist du der ‚Herrscher der Nachbarschaft‘, mein Freund und mein Beschützer.“
Ein weißer Schmetterling weckte Bobs Interesse und er hüpfte hinter ihm her. Joey erhob sich, schlich langsam zum Apfelbaum, machte es sich im weichen Gras gemütlich, um ein Nickerchen zu halten und die Sonne zu genießen. „Wie ist das Leben schön.“ dachte er und versank ins Land der Träume.

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