Das „schwarz-weiße Phantom“ – eine Katzengeschichte

Bob lag in seinem großen, weichen Sessel, reckte und streckte sich, gähnte herzhaft und sah seinen Freund, der unter ihm döste, neugierig an. Joey schlief auf seiner runden Lieblingskratzpappe, eingekuschelt wie eine Schnecke und wollte nicht gestört werden. “Wie ist Deine Geschichte? Wie bist Du zu unseren Zweibeinern gekommen?” flüsterte Bob leise. Joey blinzelte ihn an. “Ich bin müde, lass mich schlafen.” “Komm erzähl schon.” gähnte Bob. “Na gut, unsere Zweibeiner sind heute lange weg, da kann ich dir ja einiges erzählen.” reckte Joey sich und wechselte auf eine andere Pappe, die ihm gemütlicher erschien.
Lange dachte er nach, dann begann er zu erzählen.

Mein kleiner Bruder und ich waren gerade ein paar Monate alt, als wir in ein Heim für Tiere ohne zuhause kamen. Ich kann mich an diese Zeit kaum erinnern, sie ist leicht verschwommen, aber an eins erinnere ich mich noch genau, an diesen Zweibeiner, der eines Tages zu Besuch kam. Er war groß und hatte liebe Augen, ich dachte: “Der ist bestimmt nett zu mir.” Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und ging auf ihn zu. Ich schlich um seine Beine um ihn zu begrüßen. Er bückte sich zu mir herunter und bot mir vorsichtig seine komische Pfote an. Sie war so groß, aber ich wusste genau, dass sie mir nichts tat und ließ es zu mich anzufassen. Dieses Wesen roch verführerisch gut und ich zeigte mich von meiner besten Seite. Leider verließ er mich nach kurzer Zeit und nun saß ich hier und sehnte mich nach seiner großen Pfote, die mich so liebevoll streichelte.
Ein paar Tage später sah ich ihn wieder und die Zweibeinerin von diesem Heim steckte mich in eine Box, ich hoffte hier schnellstens rauszukommen, dann würde ich mich an ihr rächen, aber es kam alles anders.
Da war er, dieser angenehme Duft von diesem Menschen und ich hatte ein gutes Gefühl. Von meinem Bruder konnte ich mich noch schnell verabschieden und hoffte er findet auch jemanden dem er vertrauen konnte und ihm eine schöne Bleibe gab. Mit einem stinkenden, viel zu lauten Gefährt fuhren wir in mein Neues zu Hause und das Abenteuer konnte beginnen.

Dort angekommen musste ich erst einmal alles inspizieren, in so einem schönen Haus habe ich noch nie gelebt, das war jetzt alles meins? Ich schaute den Zweibeiner an und er nickte mir zu. “Kleiner Joey, schau dich um, hier ist dein Fressen, deine Toilette und was dein Herz begehrt.” Ich konnte es kaum fassen, das alles war meins! Lebte ich doch vorher in einer Kiste und dann bei den vielen Katzen, in einem überfüllten Käfig, mit meinem Bruder, den ich irgendwie gar nicht mehr so vermisste.

Ich schlenderte herum, kontrollierte hier und da, probierte das Futter in meinem Napf und kam zu dem Entschluss: “Hier werde ich bestimmt glücklich!” Mit einem Satz sprang ich auf die Fensterbank in dem großen Wohnraum mit dem Sofa und traute meinen Augen kaum, ein Garten! Mein Herz schlug immer höher, der Traum einer Katze…Freiheit!
Aus der Freiheit wurde aber erst einmal nichts, schade. So verging die Zeit, ich wurde größer und lernte “klickern”, das machte mir unheimlich viel Spaß. Jeden Tag übten mein Zweibeiner und ich Kunststücke ein, ich liebte es, schließlich gab es immer meine Lieblingsleckerlis. Wir kuschelten am Abend, spielten am Tag und ich erschreckte ihn, wenn er gerade um die Ecke kam. Er nannte mich das “schwarz – weiße Phantom”, weil ich mich gut verstecken konnte und wie ein Blitz angeflitzt kam und auch so schnell wieder weg war, das war mein Lieblingsspiel.

Doch sehnte ich mich nach draußen, jeden Tag saß ich am Fenster und beobachtete die Vögel, ab und an lief eine andere Katze durch den Garten und ich schaute ihr sehnsüchtig hinterher, ach ja Gras unter den Füßen, das möchte ich auch gerne mal spüren.
Eines Tages kam mein Lieblingsmensch nach Hause und brachte so ein komisches Ding mit, dass wie ein Geschirr aussah. “So mein kleiner Joey, ich habe eine Überraschung für dich, du darfst raus in den Garten.” Ich sah meinen Zweibeiner mit großen Augen an und freute mich schon, doch er steckte mich tatsächlich in so ein Gewusel von Strippen, war das Freiheit? Ich ließ es über mich ergehen, hatte ich doch Gras unter den Pfoten, aber für welchen Preis? Ich lebte immer noch in Gefangenschaft, wo mich doch die Natur rief, mein Drang nach Freiheit wurde immer größer.

Dann baute mir mein Zweibeiner auf der Terrasse einen großen Käfig mit einer Kiste Gras in der ich bequem Platz zum Schlafen hatte. Ich durfte frische Luft atmen und lernte den Umgang mit einer komischen Klappe kennen, wenigstens konnte ich allein raus und rein, wenn auch nicht in den Garten. In dem Käfig ganz oben war ein Podest auf dem ich meine Position als “Herrscher der Nachbarschaft” schon mal üben konnte, denn eines Tages und da war ich mir ganz sicher, würde ich meiner Gefangenschaft ein Ende setzen und diesen Garten erkunden.
Jeden Tag besuchten mich einige dieser Katzen, die über mein Grundstück liefen. Ich hatte Gesellschaft, aber ich wollte mehr, ich wollte ein Leben in Freiheit, ohne großen Käfig und ohne eine Leine, ich wollte alles, meine Geduld war grenzenlos.

Bob schaute Joey gespannt an. „Und wie geht es weiter?” Du bist doch jetzt frei, wie hast Du das geschafft?” Joey legte sich wieder auf die runde Kratzpappe und kringelte sich ein. “Lass mich jetzt schlafen, ich bin müde.” und er versank ins Land der Träume.

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